KAPITEL 5
FINANZIELLE TRANSAKTIONEN

GLIEDERUNGEN DER FINANZIELLEN TRANSAKTIONEN

Währungsgold und Sonderziehungsrechte (F.1)

Währungsgold (F.11)
Sonderziehungsrechte (F.12)

Bargeld und Einlagen (F.2)

Bargeld(F.21)
Sichteinlagen (F.22)
Sonstige Einlagen (F.29)

Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) und Finanzderivate (F.3)

Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) (F.33)

Geldmarktpapiere (F.331)
Kapitalmarktpapiere (F.332)

Finanzderivate (F.34)

Kredite (F.4)

Kurzfristige Kredite (F.41)
Langfristige Kredite (F.42)

Anteilsrechte (F.5)

Anteilsrechte (ohne Investmentzertifikate) (F.51)

Börsennotierte Aktien (F.511) und nichtbörsennotierte Aktien (F.512)
Sonstige Anteilsrechte (F.513)

Investmentzertifikate (F.52)

Versicherungstechnische Rückstellungen (F.6)

Ansprüche privater Haushalte aus Rückstellungen bei Lebensversicherungen und Pensionseinrichtungen (F.61)

Ansprüche privater Haushalte aus Rückstellungen bei Lebensversicherungen (F.611)
Ansprüche privater Haushalte aus Rückstellungen bei Pensionseinrichtungen (F.612)

Prämienüberträge und Rückstellungen für eingetretene Versicherungsfälle (F.62)

Sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten (F.7)

Handelskredite und Anzahlungen (F.71)

Übrige Forderungen und Verbindlichkeiten (F.79)

Nachrichtlich: Ausländische Direktinvestitionen (F.m)

REGELN FÜR DIE BUCHUNG FINANZIELLER TRANSAKTIONEN

Bewertung

Buchungszeitpunkt

Die Ermittlung von finanziellen Transaktionen anhand der Veränderung der Vermögensbestände

ANHANG 5.1

VERBINDUNG ZU DEN GELDMENGENAGGREGATEN

5.01 Definition:

Finanzielle Transaktionen sind Transaktionen in Bezug auf finanzielle Vermögenswerte (Forderungen und Verbindlichkeiten) zwischen institutionellen Einheiten sowie zwischen diesen und der übrigen Welt.

5.02 Ausgehend von der Definition des Begriffs Transaktion (siehe 1.33) ist eine finanzielle Transaktion eine Interaktion im gegenseitigen Einvernehmen zwischen institutionellen Einheiten oder zwischen einer institutionellen Einheit und der übrigen Welt, die gleichzeitig einen finanziellen Vermögenswert (Forderung) und die ihm gegenüberstehende Verbindlichkeit schafft oder auflöst oder die das Eigentum an einem finanziellen Vermögenswert überträgt oder die zur Übernahme einer Verbindlichkeit führt.

5.03 Finanzielle Vermögenswerte (Forderungen) sind wirtschaftliche Werte, die Zahlungsmittel, andere Forderungen und forderungsähnliche Vermögenswerte umfassen.

5.04 Zahlungsmittel umfassen Währungsgold, Sonderziehungsrechte, Bargeld und Sichteinlagen.

Forderungen berechtigen ihre Eigentümer (die Gläubiger) dazu, von anderen institutionellen Einheiten (den Schuldnern), die die gegenüberstehenden Verbindlichkeiten eingegangen sind, eine Zahlung oder eine Reihe von Zahlungen ohne Gegenleistung zu erhalten.

Beispiele für forderungsähnliche Vermögenswerte sind Aktien und sonstige Anteilsrechte sowie ein Teil der Eventualforderungen. Es wird unterstellt, daß die institutionelle Einheit, die einen derartigen forderungsähnlichen Vermögenswert ausgibt, eine diesem gegenüberstehende Verbindlichkeit eingeht.

5.05 Eventualforderungen sind vertragliche Vereinbarungen zwischen institutionellen Einheiten oder zwischen diesen und der übrigen Welt, in denen eine oder mehrere Bedingungen festgelegt werden, die erfüllt sein müssen, bevor eine finanzielle Transaktion stattfindet. Beispiele sind Bürgschaften, Akkreditive, Kreditlinien, durch Kreditlinien abgesicherte Note Issuance Facilities (NIF) sowie zahlreiche derivative Finanzinstrumente. Im ESVG ist eine Eventualforderung als finanzieller Vermögenswert zu buchen, wenn die vertragliche Vereinbarung selbst einen Marktwert besitzt, da sie handelbar ist oder am Markt verrechnet werden kann. Andernfalls werden Eventualforderungen im ESVG nicht erfaßt.
(Versicherungstechnische Rückstellungen (AF.6) sind unbedingte Verbindlichkeiten von Versicherungs-gesellschaften und Pensionskassen. Bei den ihnen gegenüberstehenden finanziellen Aktiva der einzelnen Versicherungsnehmer und Leistungsempfänger handelt es sich dagegen in den meisten Fällen um Eventual-forderungen.)

5.06 Es werden sieben Forderungsarten unterschieden: Währungsgold und Sonderziehungsrechte (AF.1), Bargeld und Einlagen (AF.2), Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) und Finanzderivate (AF.3), Kredite (AF.4), Anteilsrechte (AF.5), versicherungstechnische Rückstellungen (AF.6) und sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten (AF.7).

5.07 Mit Ausnahme des Währungsgoldes und der Sonderziehungsrechte steht im ESVG jeder Forderung eine gleichhohe Verbindlichkeit gegenüber. Die Gliederung der Verbindlichkeiten entspricht der der Forderungen, jedoch ohne AF.1.

5.08 Die finanziellen Transaktionen sind in der gleichen Weise gegliedert wie die Forderungen und Verbindlichkeiten: Transaktionen mit Währungsgold und Sonderziehungsrechten (F.1), Transaktionen mit Bargeld und Einlagen (F.2), Transaktionen mit Wertpapieren (ohne Anteilsrechte) und Finanzderivaten (F.3), Transaktionen mit Krediten (F.4), Transaktionen mit Anteilsrechten (F.5), Transaktionen mit versicherungstechnischen Rückstellungen (F.6) und Transaktionen mit sonstigen Forderungen und Verbindlichkeiten (F.7).

5.09 Die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Bestände an Forderungen und Verbindlichkeiten eines Sektors oder der übrigen Welt werden in der Vermögensbilanz erfaßt (siehe Kapitel 7). Finanzielle Transaktionen verändern die Vermögensbestände. Die Änderungen zwischen der Eröffnungsbilanz und der Schlußbilanz können jedoch auch sonstige Ströme umfassen (siehe Kapitel 6), die nicht im gegenseitigen Einvernehmen zwischen den betroffenen Einheiten erfolgen. Dazu zählen die Umbewertung von Forderungen und in gleicher Höhe der Verbindlichkeiten sowie die sonstigen Volumenänderungen. Sie werden im Umbewertungskonto (Konto III.3.2) bzw. im Konto sonstiger realer Vermögensänderungen (Konto III.3.1) unter den Positionen Katastrophenschäden, Enteignungen, sonstige Volumensänderungen von Forderungen und Verbindlichkeiten sowie Änderung der Vermögensart bzw. des Sektors (siehe Kapitel 6) gebucht.

5.10 Finanzielle Transaktionen zwischen institutionellen Einheiten werden im Finanzierungskonto der betreffenden Sektoren gebucht. Finanzielle Transaktionen zwischen institutionellen Einheiten und der übigen Welt werden im Finanzierungskonto der betreffenden Sektoren und im Außenkonto der Finanzierungsströme ausgewiesen (siehe Kapitel 8).

Das Finanzierungskonto (eines Sektors oder der übrigen Welt) zeigt auf der linken Seite den Erwerb abzüglich der Veräußerung von finanziellen Vermögenswerten und auf der rechten Seite die Aufnahme abzüglich der Tilgung von Verbindlichkeiten. Der Nettoerwerb von Forderungen abzüglich der Nettoaufnahme von Verbindlichkeiten ergibt als Saldo des Finanzierungskontos den Finanzierungssaldo (B.9), und zwar den Finanzierungsüberschuß (+) oder das Finanzierungsdefizit (-).

5.11 Das Finanzierungskonto eines Sektors kann konsolidiert sein oder nicht. Das unkonsolidierte Finanzierungskonto eines Sektors zeigt die Veränderung der Forderungen und Verbindlichkeiten aufgrund sämtlicher finanziellen Transaktionen, an denen institutionelle Einheiten beteiligt sind, die zu dem betreffenden Sektor gehören. Das konsolidierte Finanzierungskonto eines Sektors zeigt die Veränderung der Forderungen und Verbindlichkeiten aufgrund finanzieller Transaktionen zwischen institutionellen Einheiten des betreffenden Sektors und institutionellen Einheiten anderer Sektoren oder der übrigen Welt. Anders als im unkonsolidierten Finanzierungskonto werden im konsolidierten Finanzierungskonto die finanziellen Transaktionen zwischen institutionellen Einheiten des betreffenden Sektors nicht berücksichtigt. Das Außenkonto der Finanzierungsströme ist stets konsolidiert.

5.12 Eine finanzielle Transaktion zwischen zwei institutionellen Einheiten vergrößert den Finanzierungssaldo der einen Einheit und vermindert den Saldo der anderen Einheit um den gleichen Betrag. Durch finanzielle Transaktionen zwischen institutionellen Einheiten desselben Sektors ändert sich der Finanzierungssaldo des Sektors nicht. Das konsolidierte und das unkonsolidierte Finanzierungskonto eines Sektors haben also stets den gleichen Finanzierungssaldo. Ebenso verändern finanzielle Transaktionen zwischen inländischen Einheiten nicht den Finanzierungssaldo der Volkswirtschaft. Der Finanzierungssaldo der Volkswirtschaft und der der übrigen Welt sind gleich groß, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen, also ist ihre Summe stets gleich null.

5.13 Das Finanzierungskonto nach Schuldnern/Gläubigern (eines Sektors oder der übrigen Welt) ist eine erweiterte Fassung des Finanzierungskontos, die zusätzlich den Nettoerwerb von finanziellen Vermögenswerten, gegliedert nach Schuldnersektoren und die Nettoaufnahme von Verbindlichkeiten gegliedert nach Gläubigersektoren, zeigt. Sie liefert daher Informationen über die Schuldner-Gläubiger-Beziehungen und ist somit konsistent mit der finanziellen Bilanz nach Schuldnern/Gläubigern (siehe 7.69). Allerdings kann im Fall von finanziellen Transaktionen auf Sekundärmärkten (d.h. im wesentlichen dem Handel mit vorhandenen Wertpapieren) aus dem Finanzierungskonto nach Schuldnern/Gläubigern nicht entnommen werden, an welche institutionellen Einheiten finanzielle Vermögenswerte verkauft oder von welchen institutionellen Einheiten finanzielle Vermögenswerte gekauft wurden. Daher liefert das Finanzierungskonto nach Schuldnern/Gläubigern keine vollständige Antwort auf die Frage, wer wen in einer Berichtsperiode finanziert.

5.14 Das Finanzierungskonto schließt die Transaktionskonten ab (siehe Kapitel 8). Daher wird der Finanzierungssaldo nicht auf das folgende Konto übertragen, sondern er ist identisch mit dem Saldo des Vermögensbildungskontos. In der Praxis können die beiden Salden etwas voneinander abweichen, da sie anhand unterschiedlicher statistischer Daten berechnet werden.

5.15 Einer finanziellen Transaktion steht immer eine andere Transaktion gegenüber, bei der es sich entweder ebenfalls um eine finanzielle Transaktion oder um eine nichtfinanzielle Transaktion handelt.

Die gleichzeitige Erhöhung oder Verringerung von finanziellen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten wird, ebenso wie der Austausch eines finanziellen Vermögenswertes gegen einen anderen, vollständig im Finanzierungskonto (eines Sektors oder der übrigen Welt) gebucht. Handelt es sich bei einer Transaktion und der ihr gegenüberstehenden Transaktion um finanzielle Transaktionen, so ändert sich die Zusammensetzung der finanziellen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten und unter Umständen die Summe der finanziellen Vermögenswerte und der Verbindlichkeiten der betroffenen Einheiten im Inland oder der übrigen Welt. Der Finanzierungssaldo und das Reinvermögen werden davon allerdings nicht berührt.

Den finanziellen Transaktionen können auch Gütertransaktionen (siehe Kapitel 3), Verteilungstransaktionen (siehe Kapitel 4) oder Transaktionen mit nichtproduzierten Vermögensgütern (siehe 6.06) gegenüberstehen. In diesen Fällen wird der Finanzierungssaldo der an finanziellen Transaktionen beteiligten Einheiten geändert.

5.16 Wenn einer finanziellen Transaktion ein laufender Transfer oder ein Vermögenstransfer gegenübersteht (siehe Kapitel 4), so wechselt der Eigentümer einer Forderung (also der Gläubiger) oder eine Verbindlichkeit wird von einem Dritten übernommen (Schuldübernahme) oder eine Forderung und die ihr gegenüberstehende Verbindlichkeit werden gleichzeitig aufgelöst (Schuldenaufhebung oder Schuldenerlaß). Die Schuldübernahme und die Schuldenaufhebung werden in der Regel als Vermögenstransfer (D.9) im Vermögensbildungskonto (Konto III.1) gebucht.

Wenn der Eigentümer einer Quasi-Kapitalgesellschaft dieser Gesellschaft Schulden erläßt oder von ihr Schulden übernimmt, so handelt es sich nicht um einen Vermögenstransfer, sondern um eine Transaktion mit Anteilsrechten (F.5).

Wenn der Staat einer öffentlichen Kapitalgesellschaft, die als solche aufgelöst wird, Schulden erläßt oder von ihr Schulden übernimmt, so wird weder im Vermögensbildungskonto noch im Finanzierungskonto eine Transaktion gebucht. In diesem Fall erfolgt die Gegenbuchung im Konto der sonstigen realen Vermögens nderungen (Konto III.3.1) (siehe Kapitel 6).

Wenn der Staat einer öffentlichen Kapitalgesellschaft im Zusammenhang mit einem laufenden Vorgang der Privatisierung Schulden erläßt oder von ihr Schulden übernimmt, so wird auch dieses nicht als Vermögenstransfer, sondern als Transaktion mit Anteilsrechten (F.5) gebucht. Privatisierung liegt vor, wenn der Staat durch den Verkauf von Anteilsrechten die Kontrolle über die öffentliche Kapitalgesellschaft aufgibt (siehe 2.26). Eine derartige Entschuldung führt zu einer Zunahme des Eigenkapitals der Gesellschaft (siehe 7.05), und zwar unabhängig davon, ob diese Zunahme mit der Ausgabe neuer Anteilsrechte verbunden ist oder nicht.

Die vollständige oder teilweise Abschreibung zweifelhafter Forderungen durch den Gläubiger oder die einseitige Aufhebung von Schulden durch den Schuldner werden nicht als finanzielle Transaktion gebucht, da sie keine Interaktion im gegenseitigen Einvernehmen zwischen den beteiligten Partnern darstellen. Die Abschreibung uneinbringlicher Forderungen durch den Gläubiger geht in das Konto sonstiger realer Vermögensänderungen ein (siehe 6.27 d). Die einseitige Schuldenaufhebung durch den Schuldner wird dagegen überhaupt nicht gebucht.

5.17 Auch Zinszahlungen (D.41) können der Anlaß finanzieller Transaktionen sein. Zinsen werden von den Schuldnern an die Gläubiger auf bestimmte Forderungen gezahlt, nämlich auf Einlagen (AF.2), Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) und Finanzderivate (AF.3), Kredite (AF.4) oder auf sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten (AF.7). Zinsen werden im ESVG periodengerecht zugerechnet, d.h. bei der Verbuchung der Zinsen wird davon ausgegangen, daß die Zinsen auf den ausstehenden Kapitalbetrag dem Gläubiger kontinuierlich zuwachsen (siehe 4.50). Einem Eintrag unter der Position Zinsen (D.41) steht immer eine finanzielle Transaktion gegenüber, durch die eine zusätzliche Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner entsteht. Die Zinsen werden also reinvestiert. Die eigentliche Zinszahlung wird nicht als Zinsen (D.41) gebucht, sondern als zwei finanzielle Transaktionen, in der einerseits Zahlungsmittel übertragen werden und im Gegenzug der Bestand der Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner vermindert wird. Werden aufgelaufene Zinsen nicht bei Fälligkeit gezahlt, entstehen Zinsrückstände. Da aufgelaufene Zinsen im Kontensystem bereits gebucht sind, ndert sich durch Zinsrückstände zwar nicht der Gesamtbetrag der Forderungen und Verbindlichkeiten, u. U. jedoch deren Zuordnung (siehe 5.131).

5.18 Bei der einer finanziellen Transaktion gegenüberstehenden Transaktion kann es sich um zugerechnetes, aber nicht ausgeschüttetes Vermögenseinkommen handeln. Beispiele sind Zins- und Dividendeneinnahmen (D.41 bzw. D.421) von Investmentfonds aus den von diesen angelegten Geldern, soweit die Erträge den Anteilsinhabern zugerechnet, aber nicht an sie ausgeschüttet werden (siehe 4.49 b und 4.54 b), reinvestierte Gewinne aus ausländischen Direktinvestitionen (D.43) und das (positive oder negative) Vermögenseinkommen aus Versicherungsverträgen (D.44), das den Versicherungsnehmern von Einzellebensversicherungen zusteht. Durch die finanzielle Transaktion wird das (positive oder negative) Vermögenseinkommen reinvestiert.