Die acht Merkmale der ESVG-Konzepte

1.05 Um die Datenanforderungen und die Möglichkeiten der Datenbereitstellung möglichst in Einklang zu bringen, weisen die im ESVG verwendeten Konzepte acht wichtige Merkmale auf. Die Konzepte sind:

  1. international vergleichbar;
  2. auf die Konzepte anderer Wirtschafts- und Sozialstatistiken abgestimmt;
  3. konsistent;
  4. operationell;
  5. unterschiedlich zu den meisten für administrative Zwecke verwendeten Konzepten;
  6. bewährt und für lange Zeit gültig;
  7. auf die Beschreibung des Wirtschaftskreislaufs in monetären und gut beobachtbaren Tatbeständen ausgerichtet;
  8. flexibel und für viele Zwecke nutzbar.
1.06 Die Konzepte sind international vergleichbar:
  1. Für die Mitgliedstaaten der EU ist das ESVG der Standard für die Übermittlung der Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen an die internationalen Organisationen. Lediglich für nationale Zwecke ist das ESVG nicht verbindlich;
  2. Die Konzepte des ESVG stimmen vollständig mit den weltweiten Empfehlungen des SNA überein.
Die internationale Vergleichbarkeit der Konzepte ist für Vergleiche der Daten verschiedener Länder von entscheidender Bedeutung.

1.07 Die Konzepte sind auf die Konzepte anderer Wirtschafts- und Sozialstatistiken abgestimmt:

  1. das ESVG verwendet viele Konzepte und Klassifikationen (z. B. die NACE Rev. 1) , die auch für andere Wirtschafts- und Sozialstatistiken, wie die Statistiken über die Produktion, den Außenhandel und die Erwerbstätigkeit, der EU-Mitgliedstaaten gelten. Die konzeptionellen Unterschiede wurden auf ein Minimum begrenzt. Ferner sind die Konzepte und Klassifikationen auf die der Vereinten Nationen abgestimmt;
  2. die Konzepte des ESVG sind ebenso wie die des SNA auch auf die Konzepte wichtiger internationaler Leitlinien für bestimmte andere Wirtschaftsstatistiken abgestimmt, wie auf das Zahlungsbilanz-Handbuch des IWF, das Handbuch des IWF über die staatliche Finanzstatistik, die OECD-Richtlinien über die Steuern und Sozialbeiträge und auf die konzeptionellen Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu den Erwerbstätigen, den geleisteten Arbeitsstunden und den Arbeitskosten.

Durch diese Harmonisierung mit anderen Wirtschafts- und Sozialstatistiken werden die Verknüpfung und der Vergleich der Ergebnisse aus den verschiedenen Quellen beträchtlich erleichtert und die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen können besser berechnet werden. Außerdem können die Gesamtrechnungsdaten, wie das Bruttonationaleinkommen (früher Bruttosozialprodukt) oder die Wertschöpfung der Wirtschaftsbereiche und der Sektoren besser mit den Angaben aus speziellen Statistiken verglichen werden.

1.08 Die im Gesamtrechnungssystem geltenden Identitätsbeziehungen erlauben es, die verschiedenen Phasen des Wirtschaftskreislaufs (Produktion, Einkommensverteilung und -verwendung, Vermögensbildung) stimmig zu beschreiben. Wegen dieser internen Konsistenz können die Ergebnisse aus den verschiedenen Teilen des Rechenwerkes sinnvoll miteinander verbunden werden, wie beispielsweise:

  1. Produktivitätsangaben, wie Wertschöpfung je geleisteter Arbeitsstunde (diese Angabe setzt konsistente Konzepte der Wertschöpfung und der geleisteten Arbeitsstunden voraus);
  2. verfügbares Einkommen je Einwohner (diese Verhältniszahl setzt konsistente Konzepte des verfügbaren Einkommens und der Bevölkerung voraus);
  3. Anlageinvestitionen im Verhältnis zum Anlagevermögen (diese Verhältniszahl setzt stimmige Definitionen dieser Strom- bzw. Bestandsgrößen voraus);
  4. das öffentliche Defizit und der öffentliche Schuldenstand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (diese Angaben setzen konsistente Konzepte des öffentlichen Defizits, des öffentlichen Schuldenstandes und des Bruttoinlandsprodukts voraus).
Diese interne Konsistenz der Konzepte erlaubt die Bildung von Restgrößen, wie das Sparen als Differenz zwischen dem verfügbaren Einkommen und dem Konsum ( Kapitel 8).

1.09 Die Konzepte des ESVG sind operationelle Konzepte, da sie unter Berücksichtigung ihrer Realisierbarkeit entwickelt werden. Das wird auf verschiedene Weise deutlich:

  1. für bestimmte Tätigkeiten und Positionen sind nur Werte anzugeben, wenn sie einen signifikanten Umfang erreichen. Dies gilt z. B. für die Warenproduktion für den eigenen Haushalt. So sind das Weben von Stoffen und die Fertigung von Töpferwaren nicht als Produktion zu erfassen, da diese Produktion in den EU-Ländern als nicht wesentlich gilt. Ebenso werden Kleinwerkzeuge und -geräte, die nicht teuer sind, nur dann als Anlageinvestitionen verbucht, wenn die Ausgaben des K ufers derartiger dauerhafter Güter 500 ECU (zu Preisen von 1995) pro Artikel (bzw., wenn sie in größeren Mengen gekauft werden, für die insgesamt gekaufte Menge) überschreiten, andernfalls sind sie unter den Vorleistungen auszuweisen;
  2. bei einigen Größen wird genau angegeben, wie sie zu schätzen sind. So wird bei den Abschreibungen auf die lineare Abschreibungsmethode verwiesen und zur Sch tzung des Anlagevermögens wird die Perpetual-Inventory-Methode, eine Kumulationsmethode, empfohlen. Ein weiteres Beispiel ist die Bewertung der Produktion für die eigene Verwendung. Grundsätzlich sollte zu Herstellungspreisen bewertet werden, jedoch können als Näherungswert auch die angefallenen Kosten addiert werden;
  3. zur Vereinfachung wurden bestimmte Konventionen akzeptiert. So werden die vom Staat erbrachten kollektiven Dienstleistungen grundsätzlich dem Konsum zugerechnet;
  4. die Konzepte sind weitgehend auf die Konzepte der Wirtschafts- und Sozialstatistiken abgestimmt, die für die Aufstellung Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen genutzt werden.
1.10 Jedoch ist es häufig nicht einfach, die Konzepte voll zu operationalisieren, da sie in einigen Punkten von den Konzepten administrativer Datenquellen abweichen. Dies betrifft z. B. Angaben aus der betrieblichen Buchführung oder über bestimmte Steuern (Mehrwertsteuer, Einkommensteuer, Importabgaben usw.), Sozialversicherungsdaten und Angaben von Aufsichtsorganen des Banken- und Versicherungswesens. Diese administrativen Daten werden häufig zur Erstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen herangezogen. Zu diesem Zweck müssen daher solche Daten im allgemeinen adaptiert werden, damit sie den Konzepten des ESVG entsprechen.

Die ESVG-Konzepte unterscheiden sich in der Regel in bestimmten Punkten von den entsprechenden administrativen Konzepten, denn die administrativen Konzepte

  1. sind von Land zu Land verschieden, so daß die internationale Kompatibilität nicht gewährleistet ist;
  2. ändern sich im Laufe der Zeit, so daß die Vergleichbarkeit im Zeitablauf eingeschränkt ist;
  3. sind häufig untereinander nicht konsistent, so daß die Verknüpfung und der Vergleich der Daten (beides ist für die Erstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen von entscheidender Bedeutung) nur bedingt möglich ist;
  4. sind für wirtschaftliche Analysen und die Bewertung der Wirtschaftspolitik in der Regel nicht optimal.

Dennoch werden administrative Datenquellen den Anforderungen sowohl der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als auch anderer Statistiken mitunter durchaus gerecht, denn

  1. bisweilen werden Konzepte und Klassifikationen, die ursprünglich für statistische Zwecke entwickelt wurden, auch für administrative Zwecke verwendet, wie die Klassifikation der Staatsausgaben;
  2. in administrativen Datenquellen wird der (spezielle) Datenbedarf der Statistik z. T. ausdrücklich berücksichtigt. Dies gilt z. B. für die Erfassung der Warenlieferungen zwischen den Mitgliedstaaten der EU nach der Intrahandelsstatistik.
1.11 Die wichtigsten Konzepte des ESVG haben sich bewährt und sollen für längere Zeit gültig bleiben, denn:
  1. sie wurden als internationale Normen für die kommenden Jahrzehnte angenommen;
  2. der größte Teil der grundlegenden Konzepte wurde in den verschiedenen internationalen Leitlinien für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die im Laufe der Zeit veröffentlicht wurden, kaum geändert.

Diese konzeptionelle Kontinuität verringert die Notwendigkeit, Zeitreihen neu zu berechnen und sich auf neue Regeln umzustellen. Ferner sind die Konzepte so gegenüber nationalem und internationalem politischen Druck weniger anfällig. Daher dienen die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Wirtschaftspolitik und -analyse seit Jahrzehnten als objektive Grundlage.

1.12 Die ESVG-Konzepte dienen primär der Beschreibung des Wirtschaftskreislaufs in monetären tatsächlich beobachtbaren Kategorien. Strom- und Bestandsgrößen, die nicht in monetären Kategorien erfaßbar sind oder zu denen es nicht eindeutig einen monetären Gegenposten gibt, werden daher überwiegend nicht einbezogen.

Dieser Grundsatz wurde nicht durchgehend befolgt, da auch dem Erfordernis der Konsistenz und dem vielgestaltigen Datenbedarf Rechnung zu tragen ist. Die Konsistenz verlangt z. B., daß die vom Staat erbrachten kollektiven Dienstleistungen als Produktionswert erfaßt werden, zumal die Zahlung von Arbeitnehmerentgelten und der Kauf von Waren und Dienstleistungen des Staates unschwer in monetären Kategorien erfaßt werden können. Ferner steigt für Zwecke der Wirtschaftspolitik und -analyse die Verwendbarkeit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Ganzes, wenn die vom Staat erbrachten kollektiven Dienstleistungen in ihrer Beziehung zur übrigen Volkswirtschaft dargestellt werden.

1.13 Zur Veranschaulichung des Konzeptrahmens des ESVG seien einige bedeutsame Grenzfälle aufgeführt.

Unter das Produktionskonzept des ESVG (siehe Textziffern 3.07 bis 3.09) fallen:

  1. die Produktion von individualisierbaren und kollektiven Dienstleistungen des Staates;
  2. die Produktion von Dienstleistungen aus eigengenutzten Wohnungen;
  3. die Produktion von Waren (z. B. landwirtschaftlichen Erzeugnissen) für den eigenen Konsum;
  4. selbsterstellte Bauten einschließlich der Eigenleistungen privater Haushalte im Wohnungsbau;
  5. die Produktion von Dienstleistungen durch bezahlte Hausangestellte;
  6. das Heranwachsen von Fischen in Fischzuchtbetrieben;
  7. gesetzlich untersagte Produktion (z. B. verbotene Prostitution und Produktion von Drogen);
  8. Produktion, bei der die aus ihr erzielten Einnahmen den Steuerbehörden nicht oder nur teilweise gemeldet werden (z. B. schattenwirtschaftliche Produktion von Textilien).

Unter das Produktionskonzept fallen nicht:

  1. Haushaltsarbeit, die vom selben privaten Haushalt erbracht und verbraucht werden (z. B. Reinigungsdienste, Zubereitung von Speisen oder Betreuung kranker und älterer Menschen);
  2. ehrenamtlich erbrachte Tätigkeiten, bei denen keine Waren entstehen (z. B. unentgeltliche Hausmeister- oder Reinigungstätigkeiten);
  3. das natürliche Heranwachsen von Fischen in freien Gewässern.
Generell wird im ESVG jedweder Produktionswert erfaßt, der das Ergebnis einer unter das Produktionskonzept des ESVG fallenden Produktionstätigkeit ist. Von dieser Regel gibt es allerdings einige Ausnahmen:
  1. für Hilfstätigkeiten wird kein Produktionswert ausgewiesen. Alle für eine Hilfstätigkeit notwendigen Inputs, wie Material, Arbeitskräfte, Abschreibungen usw. werden als Inputs der Haupt- oder Nebentätigkeiten behandelt, denen die Hilfst tigkeit dient;
  2. die in einer örtlichen fachlichen Einheit (siehe 1.29) produzierten und in der selben Einheit als Vorleistungen verbrauchten Güter sind weder im Produktionswert noch in den Vorleistungen zu erfassen. Dagegen sind alle Güter, die für andere örtliche fachliche Einheiten derselben institutionellen Einheit produziert werden, einzubeziehen.
Aus den Buchungsregeln des ESVG ergibt sich folgendes: Wird eine Tätigkeit der Produktion zugerechnet und ist ihr Produktionswert zu erfassen, so sind das entstandene Einkommen, die Beschäftigung, der Konsum der produzierten Güter usw., ebenfalls zu erfassen. Da z. B. die Produktion von Dienstleistungen aus eigengenutzten Wohnungen als Produktion gebucht wird, entstehen durch sie für die betreffenden Wohnungseigentümer Einkommen und Konsum von Wohnungsdienstleistungen. Das Umgekehrte gilt, wenn eine Tätigkeit nicht als Produktion erfaßt wird. Durch häusliche Dienste, die im selben Haushalt erbracht und verbraucht werden, entstehen weder Einkommen noch Konsum. Weiterhin liegt nach den ESVG-Regeln in diesem Fall auch keine Erwerbstätigkeit vor.

Im ESVG werden ferner zahlreiche Vereinbarungen für bestimmte Einzelfälle getroffen, wie

  1. die Bewertung des Produktionswertes des Staates;
  2. die Bewertung der erbrachten Versicherungsdienstleistungen und der Bankdienstleistungen gegen unterstelltes Entgelt;
  3. die Buchung aller kollektiven Dienstleistungen des Staates als Konsum und nicht auch teilweise als Vorleistungen;
  4. die Aufgliederung der unterstellten Bankgebühr auf verwendende Sektoren bzw. Wirtschaftsbereiche.
1.14 Bei den Konzepten des ESVG handelt es sich um Mehrzweckkonzepte: Sie sind für eine Vielzahl von Verwendungszwecken brauchbar, in einigen Fällen müssen sie jedoch ergänzt werden (siehe 1.18).

1.15 Der Detaillierungsgrad der ESVG-Konzepte ermöglicht deren flexible Verwendung: Bestimmte Konzepte werden im ESVG nicht ausdrücklich erwähnt, können jedoch leicht abgeleitet werden. So ergibt sich die Wertschöpfung zu Faktorkosten durch Abzug der sonstigen Produktionsabgaben (abzüglich sonstiger Subventionen) von der Wertschöpfung zu Herstellungspreisen. Ebenso können durch Neugruppierung der im ESVG definierten Teilsektoren neue Sektoren geschaffen werden.

1.16 Eine flexible Verwendung ist auch durch die Einbringung zusätzlicher Kriterien möglich, sofern sie der Logik des Gesamtsystems nicht widersprechen. Ein solches Kriterium wäre z. B. bei Produzenten die Beschäftigtenzahl und bei privaten Haushalten die Einkommenshöhe. Die Erwerbstätigen könnten nach dem Bildungsniveau, Alter und Geschlecht untergliedert werden.

1.17 Diese flexible Verwendung kann in einer Gesamtrechnungsmatrix (Social Accounting Matrix, SAM) erfolgen. Sie verdeutlicht die Verbindung zwischen den Aufkommens- und Verwendungstabellen und den Sektorkonten (siehe 8.133 bis 8.155). Eine Gesamtrechnungsmatrix liefert in der Regel durch eine Aufgliederung des Arbeitnehmerentgelts nach Gruppen von Beschäftigten zusätzliche Informationen über den Umfang und Zusammensetzung der Erwerbstätigen und Arbeitslosen. Die erwähnte Aufgliederung betrifft sowohl den aus den Verwendungstabellen ableitbaren Arbeitseinsatz nach Wirtschaftsbereichen als auch das Arbeitsangebot nach Haushaltsgruppen innerhalb des Sektors private Haushalte. Auf diese Weise werden das Angebot an und der Einsatz von verschiedenen Kategorien von Arbeitskräften vergleichbar dargestellt.

1.18 Auf bestimmten Gebieten kann der Datenbedarf am besten durch die Erstellung separater Satellitensysteme gedeckt werden. Dies gilt z. B. für den Datenbedarf im Zusammenhang mit folgenden Analysen:

  1. volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourismus;
  2. Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens;
  3. volkswirtschaftliche Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Humankapital;
  4. Untersuchung von Einkommen und Ausgaben der privaten Haushalte anhand von mikroökonomischen Einkommens- und Ausgabenkonzepten;
  5. Beziehungen zwischen Umwelt und Wirtschaft;
  6. Haushaltsproduktion;
  7. Veränderung der wirtschaftlichen Wohlfahrt;
  8. Unterschiede zwischen den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und den Daten der betrieblichen Buchführung und ihre Auswirkungen auf Aktien- und Devisenmärkte;
  9. Ermittlung des Steueraufkommens.
1.19 Dieser Datenbedarf kann durch Satellitensysteme gedeckt werden, die
  1. soweit erforderlich, einen größeren Detaillierungsgrad aufweisen und überflüssige Angaben weglassen;
  2. auch nichtmonetäre Daten, z. B. über die Umweltverschmutzung und das Umweltvermögen einschließen und damit den Darstellungsgegenstand der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen erweitern;
  3. bestimmte grundlegende Konzepte erweitern, z. B. durch Einbeziehung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung oder für das Bildungswesen in die Investitionen.
1.20 Ein wichtiges Merkmal von Satellitensystemen besteht darin, daß grundsätzlich alle grundlegenden Konzepte und Klassifikationen des Standard-Geamtrechnungssystems beibehalten werden. Die grundlegenden Konzepte werden nur dann geändert, wenn dies aufgrund des speziellen Verwendungszwecks eines Satellitensystems unbedingt erforderlich ist. Das Satellitensystem sollte aber zeigen, wie die wichtigsten Gesamtgrößen des Satellitensystems mit denen des Standardsystems zusammenhängen. Auf diese Weise bleibt das Standardsystem weiterhin der Bezugsrahmen, während gleichzeitig einem spezielleren Datenbedarf Rechnung getragen wird.

1.21 Strom- und Bestandsgrößen, die nur schwierig in monetären Kategorien erfaßbar sind (oder zu denen es nicht eindeutig einen monetären Gegenposten gibt), bleiben im Standardsystem weitgehend unberücksichtigt. Ihrem Wesen nach lassen sich derartige Größen meist besser in nichtmonetären Kategorien statistisch erfassen, wie folgende Beispiele zeigen:

  1. die Haushaltsproduktion läßt sich am leichtesten anhand der für die verschiedenen Tätigkeiten aufgewendeten Stunden beschreiben;
  2. das Bildungswesen kann anhand von Angaben über die Unterrichtsart, die Schüler-/Studentenzahl, die durchschnittliche Zeit bis zum Erreichen eines Abschlusses und ähnlicher Größen dargestellt werden;
  3. die Auswirkungen der Umweltverschmutzung lassen sich am besten anhand der Veränderung der Anzahl lebender Arten, des Zustands des Waldes, des Müllaufkommens, des Umfangs der Kohlenmonoxidemissionen, der Strahlenbelastung usw. beschreiben.
Über Satellitensysteme kann eine Verbindung zwischen derartigen Statistiken in nichtmonetären Größen und dem Standardsystem der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen hergestellt werden, wenn bei den nichtmonetären Statistiken soweit wie möglich die Klassifikationen des Standardsystems (etwa die Klassifikation der Haushaltsgruppen oder der Wirtschaftsbereiche) verwendet werden. Auf diese Weise wird ein konsistentes erweitertes System entwickelt, das dann die Datengrundlage für die Untersuchung und Bewertung aller Arten von Interdependenzen zwischen den Variablen des Standardsystems und denen der Satellitensysteme liefern kann.

1.22 Veränderungen der wirtschaftlichen Wohlfahrt werden durch das Standardsystem und seine wichtigsten Gesamtgrößen nicht beschrieben. Zu diesem Zweck können erweiterte Konten erstellt werden, in denen auch die unterstellten monetären Werte folgender Sachverhalte erfaßt werden:

  1. aushaltsarbeit, die vom selben Haushalt erbracht und verbraucht werden;
  2. die Veränderung des Freizeitvolumens;
  3. Vor- und Nachteile der Verstädterung;
  4. Ungleichheit der personellen Einkommensverteilung.
Ferner können in diesen erweiterten Konten die defensiven Ausgaben (regrettable necessities) für Verteidigung u.ä. den Vorleistungen, also den nicht wohlfahrtserhöhenden Ausgaben zugerechnet werden. Ebenso können die durch Naturkatastrophen verursachten Schäden als Vorleistungsverbrauch, der das Wohlfahrtsniveau mindert, ausgewiesen werden.

Auf diese Weise könnte versucht werden, einen sehr groben und noch unvollkommenen Indikator der Wohlfahrtsveränderungen zu erstellen. Die wirtschaftliche Wohlfahrt hat jedoch viele Dimensionen, von denen die meisten primär nicht in monetären Kategorien dargestellt werden sollten. Für die Zwecke der Wohlfahrtsmessung ist es daher besser, wenn für jede dieser Dimensionen eigene Indikatoren und Maßeinheiten verwendet werden. Geeignete Indikatoren wären z. B. S uglingssterblichkeit, Lebenserwartung, Analphabetenquote oder Nationaleinkommen je Einwohner. Sie könnten in ein Satellitensystem aufgenommen werden.

1.23 Im Interesse eines konsistenten, international kompatiblen Systems wurden in das ESVG keine administrativen Konzepte aufgenommen. Für verschiedene nationale Verwendungszwecke können Daten, die auf administrativen Konzepten basieren, jedoch sehr nützlich sein. Zur Schätzung des Steueraufkommens sind z. B. Angaben über das steuerpflichtige Einkommen erforderlich. Diese Angaben können aus den Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen mit Hilfe bestimmter Modifikation abgeleitet werden.

Für einige Bereiche der nationalen Wirtschaftspolitik könnte ähnlich verfahren werden, wie

  1. die Anpassung von Renten, Arbeitslosenunterstützung oder von Beamtengehältern an die allgemeine Preisentwicklung;
  2. die Konzepte der Steuern und Sozialbeiträge sowie des Staates und des öffentlichen Sektors bei der Erörterung der optimalen Größe des Staatssektors;
  3. das Konzept der strategischen Sektoren bzw. Wirtschaftsbereiche, das in der nationalen Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftspolitik der EU verwendet wird;
  4. das für die nationale Wirtschaftspolitik relevante Konzept der Investitionst tigkeit der Unternehmen.
Satellitensysteme oder einfache Zusatztabellen könnten diesem speziellen, meist nationalen Datenbedarf gerecht werden.