Komparative Kostenvorteile

Ausgangspunkt ist die Frage, warum es sich für zwei Produzenten lohnt, sich zu spezialisieren und dann Handel aufzunehmen. Die folgende Argumentation gilt vollkommen analog für zwei Personen (hier Robinson und Freitag) wie auch für Volkswirtschaften. Dabei ist ausdrücklich zu betonen, dass die Argumentation nicht auf Vorteilen durch technischen Fortschritt basiert. Solche zusätzlichen Effekte können die Gewinne aus Handel noch weiter erhöhen.
Im "Modell" stellen zwei Personen, nämlich Robinson und Freitag, jeweils zwei Güter - Kleidung und Nahrung - her. Angenommen, Robinson benötigt 10 Stunden (Arbeitseinheiten) für die Herstellung eines Kleidungsstückes und 11 Stunden je Einheit Nahrungsmittel (z.B. je Sack Kartoffeln). Analog wird für Freitag unterstellt, dass er 14 Stunden je Kleidungsstück und 12 Stunden je Nahrungseinheit benötigt. Wenn beide 50 h pro Woche arbeiten, so stellt sich eine Ausgangssituation ein, die in der folgenden Abbildung dargestellt wird.
Links wird der wöchentliche Output anhand der entsprechenden Transformationskurve für Robinson abgebildet. Die roten Pfeile zeigen an, wieviel er von den beiden Gütern produziert und konsumiert. Die rechte Grafik gilt analog für Freitag.
Abb. Kostenvorteile
Absolute Kostenvorteile.
Man beachte, dass Robinson sowohl Kleidung als auch Nahrung in kürzerer Zeit herstellen kann. Er besitzt also in beiden Produktionsrichungen einen absoluten Kostenvorteil, wobei die Kosten in Arbeitsstunden gemessen werden.
Warum sollte es also für den "überlegenen" Robinson vorteilhaft sein, sich mit Freitag auf irgendeine Form der Arbeitsteilung zu einigen? Hat auch Freitag Vorteile von einer solchen Spezialisierung? Die Antwort lautet eindeutig "ja", wenn sich beide einen Handelsgewinn sichern können, auch wenn über die Aufteilung des gesamten Handelsgewinns hier nichts gesagt wird. Bevor auf die allgemeinere Ableitung komparativer Kostenvorteile eingegangen wird, ist es hilfreich einige Grundüberlegungen anhand eines Zahlenbeispiels nachzuvollziehen.
Wenn Robinson im angegebenen Zahlenbeispiel seine Nahrungsproduktion um eine Einheit reduziert und eine zusätzliche Einheit Kleidung herstellt, dann gewinnt er eine Stunde Freizeit. Umgekehrt erzielt Freitag zwei Stunden Freizeit, wenn er umgekehrt eine Einheit Kleidung weniger produziert und dafür eine Nahrungseinheit mehr. Tauschen die beiden nur eins zu eins Kleidung gegen Nahrung, wie in der folgenden Abbildung, dann konsumieren sie dieselben Mengen wie zuvor, aber sie arbeiten beide weniger. Die gewonnene Freizeit können sie nun genießen oder die Produktion entsprechend ausweiten, um anschließend mehr zu konsumieren.
Abb. Kostenvorteile
Komparative Kostenvorteile.
Die genannten Vorteile lassen allgemeiner herleiten, indem man folgende Relationen bildet.
10

11
  <   1

1
  <   14

12
       Einheiten:  AE/KE

AE/NE
  =   NE

KE
Dabei stehen links und rechts in der Ungleichung die sogenannten Grenzraten der Transformation: Wenn Robinson die Herstellung von Kleidung um eine Einheit erhöhen möchte, kann er die 11 benötigten Arbeitsstunden (AE = Arbeitseinheit) erzielen, indem er die Produktion von Nahrungsmitteln einschränkt; damit bewegt er sich auf der Transformationskurve! Er muss folglich of 10/11 Nahrungseinheiten (NE) je Kleidungseinheit (KE) verzichten. Die gleiche Überlegung führt bei Freitag zu einer Erhöhung um 14/10 Nahrungseinheiten je ausgelassene Kleidungseinheit. Jedes Tauschverhältnis (hier 1:1), das zwischen den beiden Verhältnissen liegt, impliziert also einen gemeinsamen Gewinn von +14/10-10/11 Nahrungseinheiten bei konstanter Zahl von Kleidungsstücken (+1-1). Da Freitag eine Nahrungseinheit abgibt, beträgt sein Handelsgewinn 14/10-1=4/10. Robinsons Vorteil ist kleiner, aber immerhin positiv; er erhält eine Nährungsmitteleinheit, so dass sein Gewinn 1-10/11=1/11 lautet.
Fazit.
Die Argumentation für den Nachweis komparativer Kostenvorteile hängt nicht von den Zahlenwerten ab, sondern ist allgemein gültig. Über die Verteilung des Gewinns wird keine Aussage getroffen. Wichtig ist nur, dass beide Parteien einen positiven Handelsgewinn realisieren können.