Finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12)

2.32 Definition:

Der Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12) umfaßt die Kapitalgesellschaften und Quasi-Kapitalgesellschaften, deren Hauptfunktion in der finanziellen Mittlertätigkeit liegt und/oder die hauptsächlich im Kredit- und Versicherungshilfsgewerbe tätig sind .

Finanzielle Mittlertätigkeit einer institutionellen Einheit besteht darin, für eigene Rechnung (siehe 2.33) auf dem Markt (siehe 2.372.38) Forderungen zu erwerben und gleichzeitig Verbindlichkeiten (siehe 2.34) einzugehen. Dabei werden die aufgenommenen Mittel in Bezug auf die Größe der Beträge, ihre Staffelung und das Risiko u.ä. umgewandelt und umgeschichtet, so daß den Verbindlichkeiten Forderungen anderer Art gegenüberstehen.

Der Teilsektor Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten erbringt keine finanzielle Mittlertätigkeit, seine Dienstleistungen stehen damit jedoch in engem Zusammenhang (siehe 2.39).

2.33 Durch die finanzielle Mittlertätigkeit werden finanzielle Mittel von Dritten, die davon einen Überschuß haben, an andere Dritte geleitet, die finanziellen Bedarf haben. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine reine Vermittlung, sondern die Mittler nehmen im eigenen Namen die Mittel auf und gewähren die Kredite und tragen das damit verbundene Risiko.

2.34 Gegenstand der finanziellen Mittlertätigkeit können alle Verbindlichkeiten sein, jedoch nicht die sonstigen Verbindlichkeiten (AF.7).

Andererseits können mit Ausnahme der versicherungstechnischen Rückstellungen (AF.6) alle Forderungen Gegenstand der finanziellen Mittlertätigkeit sein, bei den sonstigen Forderungen beispielsweise das Factoring. Die finanziellen Mittler können ihre Mittel auch in Vermögensgüter, wie Immobilien, anlegen. Wichtig ist jedoch, daß ein Mittler Verbindlichkeiten auf dem Markt eingeht und die Mittel umwandelt. Daher sind Immobiliengesellschaften (NACE-Abteilung 70) keine finanziellen Mittler.

2.35 Die Haupttätigkeit von Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen besteht in der Zusammenfassung von Versicherungsrisiken. Die wichtigsten Verbindlichkeiten dieser institutionellen Einheiten sind die versicherungstechnischen Rückstellungen (AF.6). Die Gegenposten dieser Rückstellungen bilden Kapitalanlagen der Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen, die damit als finanzielle Mittler fungieren.

2.36 Investmentfonds gehen hauptsächlich Verbindlichkeiten ein, indem sie Investmentzertifikate (AF.52) ausgeben. Sie wandeln die eingenommenen Mittel um, indem sie finanzielle Aktiva und/oder Immobilien erwerben. Aus diesem Grunde werden Investmentfonds als finanzielle Mittler angesehen. Wie bei anderen Kapitalgesellschaften schlägt sich jede Veränderung ihrer Aktiva und Passiva mit Ausnahme der eigenen Investmentzertifikate im Eigenkapital (siehe 7.05) der Investmentfonds nieder. Da das Eigenkapital der Investmentfonds normalerweise dem Wert der Investmentzertifikate entspricht, spiegelt sich jede Veränderung des Wertes der Aktiva und Passiva des Fonds im Marktpreis der Investmentzertifikate wider.

Investmentfonds, die ausschließlich in Immobilien investieren, werden ebenfalls als finanzielle Mittler angesehen.

2.37 Als finanzielle Mittlertätigkeit gelten im allgemeinen nur finanzielle Transaktionen auf dem Markt. Also sollte sich der Erwerb von Aktiva und das Eingehen von Verbindlichkeiten auf die Allgemeinheit oder auf bestimmte, relativ große Gruppen erstrecken. Beschränkt sich die Tätigkeit auf wenige Einzelpersonen oder Familien, liegt in der Regel keine finanzielle Mittlertätigkeit vor. Nicht zur finanziellen Mittlertätigkeit zählt insbesondere die Tätigkeit einer institutionellen Einheit, die für einen Unternehmenskonzern die Aufgaben einer Finanzabteilung wahrnimmt. Die Sektorzuordnung dieser institutionellen Einheiten erfolgt anhand der Hauptfunktion des Unternehmenskonzerns im Wirtschaftsgebiet. Unterliegt die institutionelle Einheit, die die Aufgaben der Finanzabteilung wahrnimmt, jedoch der Finanzaufsicht, so wird sie vereinbarungsgemäß dem Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften zugerechnet.

2.38 Ausnahmsweise gibt es auch finanzielle Mittlertätigkeit auf eingeschränkten M rkten. Beispielsweise können kommunale Kreditinstitute weitgehend von den betreffenden kommunalen Körperschaften abhängen oder Finanzierungsleasinggesellschaften können bezüglich der Aufnahme und Anlagen der finanziellen Mittel von einem Mutterkonzern abhängen. Um als finanzielle Mittler eingestuft zu werden, sollte das Kredit- und Spareinlagengeschäft dieser Institute jedoch unabhängig von der betreffenden kommunalen Körperschaft bzw. dem Mutterkonzern getätigt werden.

2.39 Zu den Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten zählen Hilfstätigkeiten, die zur Durchführung von Transaktionen mit finanziellen Aktiva und Passiva oder zur Umwandlung bzw. Umschichtung von finanziellen Mitteln ausgeübt werden. Unternehmen, die Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten schwerpunktmäßig ausüben, übernehmen selbst keine Risiken durch den Erwerb finanzieller Aktiva oder das Eingehen von Verbindlichkeiten. Sie erleichtern lediglich die finanzielle Mittlertätigkeit.

2.40 Zum Sektor Finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12) gehören folgende institutionelle Einheiten, die hauptsächlich finanzielle Mittlertätigkeiten und/oder damit verbundene Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten ausüben:

  1. private oder öffentliche Kapitalgesellschaften;
  2. Genossenschaften und Personengesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit;
  3. öffentliche Institutionen mit besonderem Statut, das ihnen Rechtspersönlichkeit verleiht;
  4. Organisationen ohne Erwerbszweck mit eigener Rechtspersönlichkeit, auch wenn sie lediglich im Dienst von finanziellen Kapitalgesellschaften stehen;
  5. Holdinggesellschaften (siehe 2.14), auch wenn die im Wirtschaftsgebiet ansässigen Tochterunternehmen hauptsächlich finanzielle Mittlertätigkeiten und/oder damit verbundene Tätigkeiten ausüben;
  6. Investmentfonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die Wertpapierbestände, die den Anteilseignern gemeinsam gehören, umfassen und die in der Regel von anderen finanziellen Kapitalgesellschaften verwaltet werden. Diese Fonds werden vereinbarungsgemäß als von den für ihre Verwaltung zuständigen finanziellen Kapitalgesellschaften getrennte institutionellen Einheiten angesehen;
  7. finanzielle Quasi-Kapitalgesellschaften:

    (1) bei Einheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die hauptsächlich finanzielle Mittlertätigkeiten ausüben und der Regulierung und Aufsicht unterstehen (in meisten Fällen werden diese Einheiten dem Teilsektor Kreditinstitute oder dem Teilsektor Versicherungsunternehmen und Pensionskassen zugerechnet), wird unterstellt, daß sie Entscheidungsfreiheit genießen und über eine von ihren Eigentümern unabhängige, autonome Unternehmensleitung verfügen. Das wirtschaftliche und finanzielle Verhalten dieser Einheiten ähnelt demjenigen von finanziellen Kapitalgesellschaften. Deshalb werden sie als separate institutionelle Einheiten behandelt. Ein Beispiel sind die Zweigniederlassungen gebietsfremder finanzieller Kapitalgesellschaften;

    (2) sonstige Einheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die hauptsächlich finanzielle Mittlertätigkeiten ausüben, jedoch keiner Regulierung oder Aufsicht unterstehen, werden nur dann als finanzielle Quasi-Kapitalgesellschaften betrachtet, wenn sie die Voraussetzungen für die Einstufung als Quasi-Kapitalgesellschaften (siehe 2.13 f) erfüllen;

    (3) Einheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die hauptsächlich Tätigkeiten des Kredit- und Versicherungshilfsgewerbes ausüben, werden nur dann als finanzielle Quasi-Kapitalgesellschaften betrachtet, wenn sie die Voraussetzungen für die Einstufung als Quasi-Kapitalgesellschaften (siehe 2.13 f ) erfüllen.

2.41 Im Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften werden fünf Teilsektoren unterschieden:
  1. Zentralbank (S.121);
  2. Kreditinstitute (S.122);
  3. sonstige Finanzinstitute (ohne Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen) (S.123);
  4. Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten (S.124);
  5. Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen (S.125).

Der Teilsektor Kreditinstitute entspricht nicht genau dem im SNA 1993 (Abschnitt 4.88 bis 4.94.) definierten Teilsektor "Other depository corporations". Während mit der Definition des Teilsektors Kreditinstitute (siehe 2.48) diejenigen finanziellen Mittler erfaßt werden sollen, über die die Auswirkung der Geldpolitik der Zentralbank auf die übrigen Wirtschaftsteilnehmer weitergegeben wird, wird in der Definition des Teilsektors "Other depository corporations" im SNA 1993 auf weitgefaßte Geldmengenaggregate Bezug genommen. Zusammengenommen entsprechen die Teilsektoren S.121 und S.122 den vom Europäischen Währungsinstitut (EWI) für statistische Zwecke definierten geldschöpfenden Kredit- und Finanzinstituten (MFI) (siehe 2.49).

2.42 Mit Ausnahme der Zentralbank (S.121) lassen sich alle Teilsektoren folgendermaßen tiefer untergliedern:

  1. öffentliche finanzielle Kapitalgesellschaften;
  2. private finanzielle Kapitalgesellschaften;
  3. ausländische finanzielle Kapitalgesellschaften .
Dabei gelten die gleichen Kriterien wie für die Untergliederung des Sektors nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (siehe 2.26 bis 2.31).

2.43 Holdinggesellschaften, deren Töchter vorwiegend finanzielle Mittlertätigkeiten und/oder damit verbundene Tätigkeiten ausüben, sind dem Teilsektor sonstige Finanzinstitute (ohne Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen) (S.123) zuzuordnen. Holdinggesellschaften, die selbst finanzielle Kapitalgesellschaften sind, sind dagegen unter Berück- sichtigung ihrer hauptsächlichen finanziellen Tätigkeit den entsprechenden Teilsektoren zuzuordnen.

2.44 Organisationen ohne Erwerbszweck mit eigener Rechtspersönlichkeit im Dienst von finanziellen Kapitalgesellschaften, die selbst keine finanziellen Mittlert tigkeiten noch damit verbundene Tätigkeiten ausüben, sind im Teilsektor Kredit- und Versicherungshilfsgewerbe (S.124) zu erfassen.