II.2. Wirtschaftsaussichten

Die Konjunkturverschlechterung Ende 1995 und Anfang 1996 hat Fortschritte beim Abbau der Arbeitslosigkeit und der Wiederherstellung gesunder öffentlicher Finanzen in der Gemeinschaft erschwert. In der zweiten Jahreshälfte 1996 und im Jahr 1997 wird allerdings mit einer Belebung der Wirtschaftstätigkeit gerechnet. Dies wird erneut zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen und den derzeitigen Trend zu steigender Arbeitslosigkeit umkehren. Um die Arbeitslosigkeit jedoch merklich und dauerhaft zu senken, muß über einen längeren Zeitraum hinweg ein kräftiges Wirtschaftswachstum erhalten bleiben. Ebenso notwendig sind weitere Fortschritte bei den Strukturreformen.

II.2.1. Wachstumsaussichten

Die jüngste Konjunkturabschwächung, die Arbeitsplatzunsicherheit und die ungewissen Einkommensaussichten haben das Verbrauchervertrauen untergraben. Das Unternehmervertrauen wurde durch realwirtschaftlich ungerechtfertigte, erhebliche Wechselkursverschiebungen, das Ausbleiben deutlicher Anzeichen für eine Belebung der Endnachfrage und die hartnäckigen Strukturschwächen beeinträchtigt. Gleichwohl gibt es Anzeichen dafür, daß der Vertrauensschwund zum Stillstand gekommen ist und sich die Nachfrage in einigen Ländern möglicherweise wieder belebt. Dementsprechend wird erwartet, daß die Konjunktur der Gemeinschaft die Talsohle in der ersten Jahreshälfte 1996 durchschreiten wird.

Tabelle 9

Reales BIP

(Reale jährliche Veränderung in %)

1993
1994
1995
1996
1997
B

-1.6

2.2

1.9

1.1

2.3

DK

1.5

4.4

2.6

1.3

2.7

D

-1.2

2.9

1.9

0.5

1.8

GR

-1.0

1.5

2.0

2.0

2.5

E

-1.2

2.1

3.0

2.0

2.9

F

-1.5

2.7

2.2

1.0

2.1

IRL

3.1

6.7

8.6

5.6

4.9

I

-1.2

2.1

3.0

1.8

2.7

L

0.0

3.3

3.2

2.6

3.0

NL

0.2

2.7

2.4

1.8

2.5

A

0.4

3.0

1.8

0.7

1.1

P

-1.2

1.0

2.5

2.3

2.8

FIN

-1.2

4.0

4.2

3.0

3.6

S

-2.2

2.6

3.0

1.2

2.0

UK

2.2

3.8

2.4

2.4

3.0

EUR

-0.6

2.8

2.5

1.5

2.4

Quelle: Vorausschätzungen der Kommission vom Frühjahr 1996.

Auf der Grundlage gesunder Fundamentalfaktoren auf der Angebotsseite (insbesondere der niedrigen Inflation und der vergleichsweise kräftigen durchschnittlichen Investitionsrentabilität) sowie günstigerer monetärer und finanzieller Bedingungen dürfte die EG-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 1996, einen Aufschwung erleben, der von den auslaufenden Lageranpassungen verstärkt wird. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich 1997 allmählich beschleunigen. In den jüngsten Konjunkturvorausschätzungen der Kommissionsdienststellen wird das Wirtschaftswachstum für die Gemeinschaft insgesamt in diesem Jahr auf etwa 1½ % geschätzt, gefolgt von etwa 2½ % im Jahr 1997. Der Aufschwung wird voraussichtlich von den vergleichsweise kräftigen Exporten in Drittländer, einer neuerlichen Belebung der Anlageinvestitionen und dem weiterhin moderaten, aber sich allmählich beschleunigenden privaten Verbrauch getragen.

In Deutschland, Frankreich und einer Reihe von Nachbarländern werden die nachteiligen Auswirkungen der kräfigen Währungsaufwertung vom Frühjahr 1995 allmählich abklingen, auch weil die ursprünglich überschießenden Wechselkurse zum großen Teil wieder korrigiert wurden. Die Wirtschaftstätigkeit wird sich überdies, unterstützt durch einen beträchtlichen Zinsrückgang und einer erwarteten Wiederherstellung des Vertrauens 1996 beleben und 1997 weiter festigen. In Italien, Schweden, Spanien und anderen Ländern dürfte der zunehmend ausgewogenere makroökonomische Policy-Mix, dank dessen die Währungen dieser Länder - in unterschiedlichem Umfang - verlorenen Boden wiedergutmachen konnten, zu niedrigeren Zinsen am kurzen und am langen Ende beitragen und das Vertrauen stärken, so daß sich die Binnennachfrage spätestens in der zweiten Jahreshälfte 1996 erholen wird und die Bedeutung der Exporte als Wachstumsmotor abnimmt. Im Vereinigten Königreich dürfte das stetige, nichtinflationäre Wachstum dank der jüngsten geldpolitischen Lockerung, der Verbesserungen auf dem Wohnungsmarkt und der günstigen Wettbewerbsposition erhalten bleiben.

Gleichwohl sind die Wirtschaftsaussichten weiterhin mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. In Ländern, deren Währungen 1995 aufwerteten, sind die Auswirkungen der Wettbewerbseinbußen noch nicht in vollem Maße überwunden. In den meisten Ländern, deren Währungen 1994-95 abwerteten, ist das Zinsgefälle gegenüber der DM noch vergleichsweise groß. In dem derzeit empfindlichen Klima und angesichts der hohen Arbeitslosigkeit könnte die positive Reaktion des Unternehmer- und Verbrauchervertrauens auf verbesserte geld- und fiskalpolitische Bedingungen und auf den Abbau von Haushaltsungleichgewichten schwächer ausfallen oder später auftreten als dies normalerweise zu erwarten wäre.

Würden die Fortschritte in Richtung gesünderer öffentlicher Finanzen und struktureller Reformen außerdem durch wachsenden sozialen und politischen Widerstand behindert, so würde die Glaubhaftigkeit der erklärten wirtschaftspolitischen Ziele untergraben, und die Zweifel einiger Beobachter, ob eine ausreichende Zahl von Mitgliedstaaten am 1. Januar 1999 zum Eintritt in die WWU bereit sein wird, würden verstärkt. Eine solche Entwicklung würde vermutlich zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen führen und könnte die Gefahr von Spannungen an den Devisenmärkten erzeugen. Dies wiederum hätte gravierende Folgen für die Chancen auf einen neuerlichen und nachhaltigen Aufschwung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Einige der Unsicherheitsfaktoren, mit denen die derzeitigen Aussichten behaftet sind, könnten allerdings auch in eine positive Richtung weisen. Da die wirtschaftlichen Fundamentalfaktoren der Gemeinschaft derzeit günstig sind und sich die Anstrengungen zur Herstellung eines ausgewogeneren Policy-Mix fortsetzen dürften, könnte die Konjunkturbelebung - sobald das Vertrauen wiederhergestellt ist - auch positiv überraschen.


[Index][Previous][Next]