II.1.5. Beschäftigung und Arbeitsmarkt

In den Grundzügen der Wirtschaftspolitik von 1995 wurde betont, daß einer aktiveren und wirksameren Arbeitsmarktpolitik bei der Erreichung einer über viele Jahre hinweg hohen Wachstumsrate und der Erhöhung des Beschäftigungspotentials des Wachstums eine zentrale Rolle zukommt. Wie in Abschnitt 1 erörtert wurde, waren die Wachstumstrends 1995 allgemein enttäuschend: Das Tempo des Wirtschaftswachstums reichte nicht aus, um einen substantiellen Beschäftigungsanstieg zu bewirken. Werden jedoch bei der Herstellung eines ausgewogeneren makroökonomischen Policy-Mix entschlossene Fortschritte gemacht, könnte die Gemeinschaft allmählich auf einen nachhaltigen, beschäftigungswirksamen Wachstumpfad einschwenken.

Ein entscheidender Bestandteil der Beschäftigungsstrategie der Gemeinschaft ist die Erhöhung der mit einem bestimmten Produktionsniveau verbundenen Zahl der Arbeitsplätze ("Beschäftigungsintensität des Wachstums"). Allerdings lassen sich die wirklichen Fortschritte in diesem Bereich nur schwer anhand kurzfristiger Beobachtungen beurteilen. Der Grund liegt darin, daß die rechnerische Arbeitsproduktivität über den Konjunkturzyklus hinweg beträchtlich variiert, da die Beschäftigung erst mit einer gewissen Zeitverzögerung auf Veränderungen des Wirtschaftswachstums reagiert. Nach den für die letzten fünf Jahre verfügbaren Informationen scheint sich die Beschäftigungsintensität des Wachstums in einigen Ländern leicht verbessert zu haben, doch ist in den meisten Ländern bzw. im Gemeinschaftsdurchschnitt keine signifikante Veränderung festzustellen.

Tabelle 8

Wachstum, Beschäftigung und Produktivität

Reales BIP-Wachstum (% p.a.)

Arbeitsproduktivität (% p.a.)

Labour productivity (% p.a.)

74-85
86-90
91-95
nach-richt-lich

1995

74-85
86-90
91-95

nach-richt-lich 1995

74-85
86-90
91-95

nach-richt-lich 1995

B

1.8

3.0

1.3

1.9

-0.3

1.1

-0.4

0.4

2.1

1.9

1.7

1.6

DK

2.0

1.4

2.0

2.6

0.5

0.3

-0.4

1.5

1.5

1.2

2.4

1.1

D

1.7

3.4

1.8

1.9

-0.2

1.5

0.0

-0.3

1.9

1.9

2.6

2.2

GR

2.5

1.9

1.3

2.0

1.0

0.9

0.9

0.9

1.6

1.0

0.7

1.1

E

1.9

4.5

1.4

3.0

-1.4

3.3

-0.4

2.7

3.4

1.2

1.8

0.3

F

2.2

3.2

1.1

2.2

0.1

0.8

-0.1

1.2

2.1

2.4

1.2

1.0

IRL

3.8

4.6

4.8

8.6

0.1

1.0

1.5

3.8

3.7

3.6

3.3

4.6

I

2.8

3.0

1.1

3.0

0.9

0.6

-1.0

-0.4

1.8

2.4

2.3

3.4

L

1.8

4.6

2.4

3.2

0.5

3.1

2.7

2.5

1.2

1.5

-0.3

0.7

NL

1.9

3.1

1.9

2.4

-0.1

1.9

0.7

1.4

2.0

1.2

1.2

1.0

A2.2

3.0

2.0

1.8

0.7

0.7

1.1

-0.1

1.6

2.2

0.9

1.9

P

2.2

5.1

1.1

2.5

-0.4

1.1

-0.4

-0.6

2.6

3.9

1.5

3.1

FIN

2.7

3.4

-0.8

4.2

0.3

0.2

-3.6

2.2

2.4

3.2

2.9

2.0

S

1.8

2.3

0.1

3.0

0.8

1.0

-2.2

1.6

1.0

1.2

2.3

1.4

UK

1.4

3.3

1.2

2.4

-0.2

1.8

-1.2

0.6

1.6

1.5

2.4

1.8

EUR

2.0

3.3

1.3

2.5

0.0

1.3

-0.5

0.6

2.0

1.9

2.0

1.9

USA

2.3

2.8

2.2

2.0

1.8

2.1

1.0

1.5

0.5

0.6

1.1

0.6

JAP

3.6

4.5

1.3

0.9

0.7

1.5

0.8

0.3

3.0

3.0

0.5

0.6

Quelle : Vorausschätzungen der Kommission vom Frühjahr 1996.

In Spanien scheinen die in den letzten Jahren eingeführten Arbeitsmarktreformen zu einem sehr kräftigen Beschäftigungswachstum im Jahr 1995 beigetragen zu haben (2,7 % bei einem BIP-Wachstum von 3 %), das sich 1996 fortsetzen dürfte. Auch in Frankreich, den Niederlanden und - in geringerem Maße - in Belgien scheint die Beschäftigung 1995 aufgrund der jüngsten Maßnahmen günstiger auf das Wachstum reagiert zu haben als aufgrund vergangener Trends zu erwarten war. Im Falle Dänemarks könnte die günstige Beschäftigungsreaktion teilweise auf die dortige aktive Arbeitsmarktpolitik zurückzuführen sein. Irland verzeichnete 1995 im zweiten Jahr hintereinander ein sehr kräftiges Beschäftigungswachstum, das im wesentlichen auf die lebhafte Konjunktur zurückging. In Deutschland hingegen wird die Beschäftigungsentwicklung durch anhaltende Entlassungen in großen verarbeitenden Industrien behindert, die durch die verschlechterte Kostenwettbewerbsfähigkeit unter Druck geraten sind, während Italien signifikante Arbeitsplatzverluste in jenen Dienstleistungssektoren verzeichnet, die zunehmendem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind und durch den seit mehreren Jahren sehr schwachen Inlandsverbrauch in Mitleidenschaft gezogen wurden.

In den Grundzügen der Wirtschaftspolitik wurde auch die Bedeutung der fünf vom Europäischen Rat von Essen genannten Schwerpunktbereiche und seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten hervorgehoben, die Beschäftigungsstrategie der Gemeinschaft durch mehrjährige Programme umzusetzen, in denen die jeweils geplanten beschäftigungspolitischen Maßnahmen genannt werden sollen. Indem sie die bestehenden bzw. geplanten nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie auf kohärente Weise darstellen, dürften diese Programme zu einem wichtigen Instrument für die Überwachung und Beurteilung der Fortschritte bei der Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik werden. Um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, sollten sie besser mit den überarbeiteten Konvergenzprogrammen abgestimmt werden, damit deutlich wird, daß Konvergenz, Wachstum und Beschäftigung untrennbar miteinander verbunden sind. Außerdem sind gewisse Änderungen an Form und Inhalt der Programme erforderlich, u.a. im Hinblick auf die nationalen Ziele für bestimmte Größen und eine stärkere Betonung mittel- und langfristiger Probleme.

Die erste Beurteilung der Fortschritte bei der Umsetzung der Beschäftigungsstrategie der Gemeinschaft wurde mit dem gemeinsamen Bericht des Rates ("Wirtschafts- und Finanzfragen" sowie "Sozialfragen") und der Kommission dem Europäischen Rat von Madrid vorgelegt. In dem Bericht wurde betont und gewürdigt, daß die Mitgliedstaaten seit Essen große Anstrengungen unternommen und insbesondere die Notwendigkeit anerkannt haben, ein integriertes beschäftigungspolitisches Konzept einzuführen, das vor allem auf der Verbindung zwischen makroökonomischen und strukturellen beschäftigungspolitischen Ansätzen beruht. Betont wurde allerdings auch, daß die Arbeitsmarktreformen in den Mitgliedstaaten energischer vorangetrieben werden müssen, wenn sich die Beschäftigungslage in der Gemeinschaft entscheidend verbessern soll. Der Bericht nannte eine Reihe von Maßnahmen, die für die Verstärkung nationaler Initiativen im Bereich der Arbeitsmarktreform von besonderer Bedeutung sind. Aufgrund der in diesem gemeinsamen Bericht enthaltenen Empfehlungen forderte der Europäische Rat von Madrid die Mitgliedstaaten auf, einigen Aktionsbereichen in ihren mehrjährigen Beschäftigungsprogrammen

Vorrang einzuräumen. Auf der Grundlage der Programme und einer Reihe von Indikatoren werden dann die gemeinsamen Anstrengungen zur Verbesserung der Beschäftigungslage und der Effizienz der Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene bewertet werden.

Schließlich hat sich die Diskussion um die Arbeitsmarktreform seit Madrid auf den Vorschlag des Kommissionspräsidenten für einen Pakt des Vertrauens für mehr Beschäftigung konzentriert. Mit diesem Pakt soll der Erklärung des Europäischen Rats von Madrid, wonach die Schaffung von Arbeitsplätzen auch in den kommenden Jahren die Hauptaufgabe der Europäischen Union sein wird, Substanz verliehen werden. Der makroökonomische und strukturpolitische Rahmen des Pakts wird auf der in den vorliegenden und früheren Grundzügen entwickelten Strategie basieren, wobei die einschlägigen Gemeinschaftsinstrumente ebenfalls genutzt werden, um Dynamik, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Der Pakt zielt darauf ab, unter Einbeziehung der Sozialpartner konkrete politische Zusagen und spezifische arbeitsplatzschaffende Maßnahmen zu erreichen.


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