I.4. Gesunde öffentliche Finanzen

Auf dem Weg zur Haushaltskonsolidierung wurden im vergangenen Jahr in der Gemeinschaft einige, wenn auch nur begrenzte Fortschritte erzielt. Die Verfehlung der angekündigten Defizitziele war nur teilweise auf die Konjunkturabschwächung zurückzuführen. Die mangelnde Glaubwürdigkeit der Haushaltspolitik trug in erheblichem Maße zu den Währungsturbulenzen vom Frühjahr 1995 bei, untergrub das wirtschafliche Vertrauen und führte zu Zweifeln in den Finanzmärkten in bezug auf das gemeinschaftliche Ziel der erfolgreichen Verwirklichung der einheitlichen Währung.

In der Zwischenzeit hat eine große Zahl von Ländern bedeutende Schritte zur Konsolidierung ihrer öffentlichen Finanzen im Jahr 1996 - und in vielen Fällen auch für das Jahr 1997 - unternommen. Angesichts der nach wie vor unbefriedigenden Lage der öffentlichen Finanzen in der Gemeinschaft sollten die Mitgliedstaaten ihre Konsolidierungsbemühungen dennoch überprüfen und gegebenenfalls verstärken. Glaubwürdige, im voraus angekündigte und sozial ausgewogene Anstrengungen beim Abbau der hohen Haushaltsdefizite tragen dazu bei, das Vertrauen zu stärken, den erwarteten Aufschwung in einen dauerhaften, arbeitsplatzschaffenden mittelfristigen Wachstumsprozeß einmünden zu lassen und die Verwirklichung der WWU am 1. Januar 1999 zu ermöglichen.

Wenngleich die Konjunkturlage zur Zeit nicht so günstig ist, wie bei Verabschiedung der Grundzüge von 1995 unterstellt wurde, ist eine weitere Verzögerung der unumgänglichen Konsolidierung als Alternative nicht zu rechtfertigen. Jeder Aufschub könnte eine nachteilige Reaktion der Finanzmärkte auslösen und würde die Konsolidierungsaufgabe in den kommenden Jahren erschweren. Unter den gegenwärtigen Umständen ist daher eine Politik, die die automatischen Stabilisatoren wirken läßt, in einer großen Mehrheit der Mitgliedstaaten weitgehend unangebracht. Die Fortschritte beim Abbau der strukturellen Haushaltsdefizite werden in diesem Jahr selbstverständlich andauern und die Konsolidierung verstärken, wenn sich die Konjunkturlage verbessert. Außerdem könnten die kurzfristig negativen Wachstumsauswirkungen eines glaubhaften Abbaus von Haushaltsdefiziten in Grenzen gehalten werden, wenn sowohl im monetären als auch im strukturellen Bereich für entsprechende flankierende Bedingungen gesorgt wird.

Ausgehend von den bis Anfang Mai 1996 beschlossenen Anpassungsmaßnahmen dürfte das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit in der Gemeinschaft 1997 insgesamt auf knapp unter 3½ % des BIP sinken, gegenüber 5 % im Jahr 1995. Praktisch alle Mitgliedstaaten sollten darauf abzielen, ihr Haushaltsdefizit bis 1997 auf höchstens 3 % des BIP zu senken; dies stellt einen Schritt in Richtung auf das mittelfristige Ziel eines Haushaltssaldos in der Nähe des Gleichgewichts dar. Ermutigend ist in dieser Hinsicht, daß mehrere Länder jüngst substantielle Maßnahmen zum Abbau der Haushaltsungleichgewichte angekündigt haben und umfangreiche Maßnahmen zur Korrektur der Haushaltsungleichgewichte durchführen.

Was die einzelnen Mitgliedstaaten anbelangt, so wollen 12 von 14 Mitgliedstaaten, die Konvergenzprogramme vorgelegt haben (die Ausnahme ist Luxemburg), ihr Defizit 1996 bzw. spätestens 1997 auf 3 % des BIP oder darunter zurückführen. Zwei dieser Länder (Dänemark und Irland) halten den Referenzwert von 3 % des BIP bereits ein und sollten daher nun ehrgeizigere mittelfristige Ziele anstreben.

Was die verbleibenden zehn Länder betrifft, so ist das Erreichen des Referenzwerts von 3% durchaus möglich und entsprechende Anstrengungen sollten entschlossen unternommen werden. Innerhalb dieser Gruppe haben mehrere Länder (Deutschland, Frankreich, Österreich, Finnland, Schweden) dieses Jahr substantielle Maßnahmen eingeleitet, um einen Abbau der Haushaltsdefizite auf 3% des BIP oder darunter im Jahre 1997 zu erreichen. Diese Länder, genauso wie die Niederlande, sollten ihre Konsolidierungsprogramme entschlossen durchführen und, falls erforderlich, ihre Anstrengungen verstärken, um zu gewährleistren, daß die Ziele vollständig erreicht werden.

In Belgien machen sowohl die Auswirkungen des hinter den Vorausschätzungen zurückbleibenden BIP-Wachstums auf die Steuereinnahmen und die Sozialtransfers als auch die Tatsache, daß einige frühere Maßnahmen nur das Budget eines bestimmten Jahres betrafen, zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um den Referenzwert von 3% im Jahre 1997 zu erreichen. Die belgische Regierung ist fest entschlossen, die notwendigen Maßnahmen während der Vorbereitung des Haushaltsentwurfs für 1997 im Juni/Juli 1996 zu spezifizieren. Für das Vereinigte Königreich wird erwartet, daß sich die substantielle Reduzierung der Haushaltsdefizite über die nächsten zwei Jahre fortsetzt, hauptsächlich wegen weiterer Zurückhaltung bei den Ausgaben. Um jedoch die Ziele des Konvergenzprogramms einzuhalten, sind weitere Maßnahmen erforderlich, um die fiskalpolitische Kursabweichung des Jahres 1995 und eine aufgrund des hinter den Erwartungen zurückbleibenden Wachstums erwartete langsamere Verbesserung der Haushaltssituation auszugleichen. Schließlich ist in Spanien und in Portugal eine entschlossene Implementierung der haushaltspolitischen Komponenten der Konvergenzprogramme erforderlich, wobei in Spanien besonderes Augenmerk auf das soziale Sicherungssystem zu werfen ist.

Was die restlichen zwei Mitgliedstaaten betrifft, so müssen in Italien umfangreiche Maßnahmen zum Erreichen und zur Verbesserung der geplanten Haushaltskonsolidierung getroffen werden, die im Hinblick auf die Wiederherstellung des Vertrauens der Märkte weiterhin die zentrale politische Aufgabe ist. Die Maßnahmen sollten sich hauptsächlich auf den Kampf gegen Steuerhinterziehung, auf größere Budgetdisziplin der lokalen Verwaltungen und eine Effizienzverbesserung des öffentlichen Dienstes konzentrieren. Im Falle Griechenlands sind kontinuierliche Anstrengungen an zahlreichen Fronten erforderlich, vor allem die Fortsetzung der bestehenden Privatisierungsinitiativen, die Erweiterung der Besteuerungsgrundlage und die Kürzung der laufenden Ausgaben.

Wenngleich Umfang, Zeitpunkt und Ausgestaltung der Konsolidierungsmaßnahmen auf die spezifische Lage eines jeden Landes zugeschnitten werden müssen, wurden in früheren Grundzügen der Wirtschaftspolitik doch einige allgemeine Grundsätze aufgestellt. Dazu gehören:

  1. die Eindämmung des Ausgabenanstiegs im Gegensatz zu weiteren Erhöhungen der Abgabenbelastung, die weithin als weniger glaubhafte und weniger effiziente Option betrachtet werden. Zu den Problemen, denen man sich in diesem Zusammenhang zuwenden muß, gehört die Notwendigkeit, die Altersversorgung auf eine tragfähige Basis zu stellen, den Kostenanstieg im Gesundheitswesen einzudämmen sowie wettbewerbsverzerrende und kostspielige Subventionen abzubauen.

  2. die möglichst weitgehende Umschichtung der öffentlichen Ausgaben in Richtung produktiver Tätigkeiten, wie Investitionen in Infrastruktur und Humankapital und aktive Arbeitsmarktpolitik, wobei der notwendige Abbau der Haushaltsdefizite nicht gefährdet werden darf;

  3. die Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Dienste, unter anderem durch flexibleres Management, bessere Leistungsanreize für öffentliche Bedienstete und in einigen Fällen vermehrte Privatisierung sowie verstärkte Erhebung von Benutzungsgebühren, sofern die Mitgliedstaaten dies mit ihren Zielen vereinbaren können;

  4. die Gewährleistung, daß eine in den meisten Mitgliedstaaten wünschenswerte Senkung der Gesamtabgabenbelastung nur erfolgt, wenn das Haushaltsdefizit zuvor eindeutig auf Abwärtskurs gebracht wird. In der Zwischenzeit würden die Mitgliedstaaten allerdings zweifellos von einer Erweiterung der Besteuerungsbasis und einer Änderung der Steuerstruktur profitieren, die die Abgabenlast auf den Faktor Arbeit verringert. Insbesondere sollte eine Senkung der Lohnnebenkosten am unteren Ende der Lohnskala erwogen werden.

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