Forderungen und Verbindlichkeiten (AF)

7.44 Forderungen und Verbindlichkeiten sind grundsätzlich zu jeweiligen Preisen zu bewerten. Für eine Forderung sind jeweils beim Gläubiger auf der Aktivseite und beim Schuldner auf der Passivseite dieselben Werte auszuweisen. In die Preise sind Gebühren, Provisionen und vergleichbare Dienstleistungsentgelte nicht einzubeziehen, da derartige Zahlungen als bei der Durchführung der Transaktionen erbrachte Dienstleistungen gebucht werden.

Währungsgold und Sonderziehungsrechte (AF.1)

7.45 Währungsgold (AF.11) ist zu dem Preis zu bewerten, der sich an organisierten Goldmärkten bildet.

Der Wert der Sonderziehungsrechte (AF.12) wird täglich vom Internationalen Währungsfonds festgelegt, so daß ihr Wert in Landeswährung anhand von Informationen an den Devisenmärkten festgestellt werden kann.

Bargeld und Einlagen (AF.2)

7.46 Bargeld (AF.21) ist zum Nennwert zu bewerten.

Für Sichteinlagen (AF.22) und sonstige Einlagen bei Banken (AF.29) ist in der Vermögensbilanz der Betrag zu buchen, den der Schuldner der Einlagen unter den Vertragsbedingungen an den Gläubiger zurückzuzahlen hätte, wenn die Einlagen am Bilanzstichtag aufgelöst würden. Der zu buchende Wert schließt aufgelaufene Zinsen ein (siehe 5.130).

Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) und Finanzderivate (AF.3)

7.47 Die Bewertung der Wertpapiere und Finanzderivate muß mit der Behandlung der aufgelaufenen Zinsen, die speziellen Forderungsarten zugerechnet werden (siehe 5.128, 5.130 und 5.138) übereinstimmen. Wenn in der Finanzierungsrechnung aufgelaufene Zinsen als in die entsprechenden Wertpapiere reinvestiert nachgewiesen werden, sollten die Wertpapiere ohne Anteilsrechte (AF.33) in der Vermögensbilanz zu Marktpreisen einschließlich der aufgelaufenen Zinsen bewertet werden. Der vollständige Marktwert dieser Wertpapiere umfaßt zwei Komponenten, nämlich das Wertpapier selbst sowie die aufgelaufenen Zinsen. Die aufgelaufenen Zinsen zählen zur Volumenkomponente der Wertpapiere, die also die aufgelaufenen Zinsen umschließt (siehe 6.52). Die Preiskomponente bezieht sich nur auf die ausgegebenen Papiere ohne den Einfluß der Zinsen.

Wenn die aufgelaufenen Zinsen in der Finanzierungsrechnung als übrige Forderungen/Verbindlichkeiten (F.79) ausgewiesen werden und nicht als Wertpapiere (ohne Anteilsrechte) (F.33), sollten die aufgelaufenen Zinsen auch in den Vermögensbilanzen als übrige Forderungen/Verbindlichkeiten (AF.79) dargestellt werden.

7.48 Geldmarktpapiere (AF.331) sind zu jeweiligen Marktpreisen zu bewerten.

Sind Marktpreise nicht verfügbar, so gilt für

  1. zum Nennwert begebene kurzfristige Papiere der Nennwert zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen, soweit noch nicht fällig oder noch nicht gezahlt;
  2. mit einem Disagio begebene Papiere der Ausgabepreis zuzüglich der aufgelaufenen Zinsen.
Die Verwendung dieser Näherungswerte sollte auf Papiere mit einer ursprünglichen Laufzeit von höchstens drei Monaten beschränkt werden.

7.49 Kapitalmarktpapiere (AF.332) sind grundsätzlich zu jeweiligen Marktpreisen zu bewerten, unabhängig davon, ob es sich um Papiere mit regelmäßiger Zinszahlung, um Anleihen mit niedriger Nominalverzinsung und hohem Rückzahlungskurs ("Deep discount bonds") oder um Null-Kupon-Anleihen handelt, auf die nur sehr geringe oder keine Zinsen gezahlt werden. (Getrennt berechnete Stückzinsen gehen in den Marktpreis ein.)

7.50 Finanzderivate (AF.34) sind in der Vermögensbilanz zum jeweiligen Marktpreis auszuweisen. Wird kein Marktpreis notiert (z. B. bei OTC-Optionen), ist entweder der Betrag anzusetzen, der erforderlich ist, um den Kontrakt zurückzukaufen oder zu verrechnen, oder der gezahlte Optionspreis.

Vereinbarungsgemäß gilt, daß der Emittent eines derivativen Finanzinstruments die diesem gegenüberstehende Verbindlichkeit eingegangen ist.

Kredite (AF.4)

7.51 In der Vermögensbilanz des Gläubigers und in der des Schuldners ist der vertraglich vereinbarte Rückzahlungsbetrag auszuweisen, und zwar auch dann, wenn ein Agio oder ein Disagio vereinbart wurde.

Anteilsrechte (AF.5)

7.52 Anteilsrechte (AF.5) sind zu jeweiligen Preisen zu bewerten. Auf der Aktivseite der Vermögensbilanz des Inhabers und der Passivseite der Bilanz der ausgebenden Kapital- oder Quasikapitalgesellschaft ist derselbe Betrag anzusetzen, obwohl es sich bei Anteilsrechten rechtlich gesehen nicht um Verbindlichkeiten des Emittenten handelt, sondern um verbriefte Anrechte auf einen Anteil am Liquidationswert der Kapitalgesellschaft, dessen Höhe im voraus nicht bekannt ist.

7.53 Börsennotierte Aktien (AF.511) sind zu einem an der Börse oder anderen organisierten Finanzmärkten festgestellten repräsentativen Mittelkurs zu bewerten.

7.54 Der Wert von nichtbörsennotierten Aktien (AF.512), die nicht regelmäßig an organisierten Märkten gehandelt werden, ist anhand des Kurses von börsennotierten Aktien zu schätzen. Dabei sollten allerdings Unterschiede zwischen diesen beiden Arten von Aktien, insbesondere ihrer Liquidität, den von dem Kapitalgesellschaft gebildeten Rücklagen und der Wirtschaftszweig der Kapitalgesellschaft berücksichtigt werden.

7.55 Welches Schätzverfahren angewendet wird, richtet sich weitgehend nach den verfügbaren Basisdaten. In das Verfahren können z. B. Angaben über Unternehmenszusammenschlüsse einbezogen werden, bei denen nichtbörsennotierte Aktien eine Rolle spielen. In den Fällen, in denen die Rücklagen von Kapitalgesellschaften, die nichtbörsennotierte Aktien ausgeben, im Durchschnitt und im Verhältnis zum Gesellschaftskapital von den Rücklagen von Kapitalgesellschaften abweichen, die börsennotierte Aktien ausgeben, wäre es ferner sinnvoll, den jeweiligen Preis von nichtbörsennotierten Aktien im Verhältnis zu Daten zu berechnen, die die Rücklagen einschließen, wie etwa das aus der Bilanz der Kapitalgesellschaft hervorgehende Reinvermögen oder die nach ESVG-Regeln bewerteten Eigenmittel:

A = nichtbörsennotierte Aktien in jeweiligen Preisen

B = börsennotierte Aktien in jeweiligen Preisen

A = B × C

Das Verhältnis des jeweiligen Preises zu den Eigenmitteln hängt möglicherweise vom Wirtschaftszweig ab. Daher sollte der jeweilige Preis von nichtbörsennotierten Aktien für jeden Wirtschaftszweig einzeln berechnet werden. U. U. bestehen noch weitere Unterschiede zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Kapitalgesellschaften, die sich auf das Schätzverfahren auswirken.

7.56 Sonstige Anteilsrechte (AF.513) sind sehr häufig Passiva spezieller institutioneller Einheiten (Quasi-Kapitalgesellschaften, Kapitalgesellschaften in Staatsbesitz, internationale Organisationen, fiktive Einheiten usw.). Sie sind im allgemeinen nach besonderen Verfahren zu bewerten, z. B. anhand der Eigenmittel oder des Nennwerts. Die Eigenmittel sind unter anderem bei Quasi-Kapitalgesellschaften heranzuziehen, da deren Reinvermögen vereinbarungsgemäß gleich null ist.

7.57 Investmentzertifikate (AF.52) sind zum jeweiligen Börsenkurs zu bewerten, falls es sich um börsennotierte Papiere handelt, und zum jeweiligen Rücknahmepreis, falls sie von Investmentfonds selbst zurückgenommen werden.

Versicherungstechnische Rückstellungen (AF.6)

7.58 Die Ansprüche privater Haushalte aus Rückstellungen bei Lebensversicherungen (AF.611) können als Gegenwartswert der sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ergebenden Ansprüche der Versicherten auf Zahlung eines Kapitalbetrages oder einer Rente berechnet werden. Dieser Wert umfaßt die Verbindlichkeit der Lebensversicherungsgesellschaft aus Deckungsrückstellungen und Rückstellungen für Gewinnbeteiligung der Versicherten, die zur Versicherungssumme von Erlebensfallversicherungen mit Gewinnbeteiligung oder vergleichbaren Versicherungen hinzukommen. Im Falle der Versicherung mit Gewinnbeteiligung der Versicherten umfassen die Rückstellungen Umbewertungsgewinne.

7.59 Bei Ansprüchen privater Haushalte aus Rückstellungen bei Pensionseinrichtungen (AF.612) richtet sich die Art der Verbindlichkeit der Pensionseinrichtungen – und des finanziellen Aktivums der privaten Haushalte – nach der Art des Versorgungssystems.

Bei Altersversorgungssystemen mit im voraus festgelegten Leistungen werden den teilnehmenden Arbeitnehmern Leistungen in einer bestimmten Höhe garantiert. Die Verbindlichkeit eines Altersversorgungssystems mit im voraus festgelegten Leistungen ist gleich dem Gegenwartswert der zugesagten Leistungen. Da das System vorübergehend über- oder unterfinanziert sein kann, kann es ein positives oder negatives Reinvermögen haben.

Bei Altersversorgungssystemen, die auf den eingezahlten Beiträgen basieren, richten sich die Leistungen unmittelbar nach den Aktiva der Pensionskasse. Die Verbindlichkeit eines Systems, das auf den eingezahlten Beiträgen basiert, ist gleich dem jeweiligen Marktwert der Aktiva der Pensionskasse. Das Reinvermögen der Pensionskasse ist grundsätzlich gleich null.

7.60 Bei der Festlegung des Wertes der Prämienüberträge, die ein Teil von AF.62 sind, ist von einer gleichmäßigen Risikoverteilung im Zeitablauf der Versicherungsverträge auszugehen. Der Wert der Rückstellungen für eingetretene Versicherungsfälle, die ebenfalls ein Teil von AF.62 sind, ist gleich dem Gegenwartswert der für die Abwicklung von Schadensfällen, einschließlich strittiger Schadensfälle, zurückgestellten Beträge.

Sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten (AF.7)

7.61 Handelskredite und Anzahlungen (AF.71) und übrige Forderungen und Verbindlichkeiten (AF.79) sind in der Vermögensbilanz des Gläubigers und in der des Schuldners mit dem Betrag auszuweisen, zu dessen Rückzahlung der Schuldner im Falle der Tilgung der Verbindlichkeit vertraglich verpflichtet ist.

In die an den Staat zu zahlenden Steuern und Sozialbeiträge, die unter AF.79 auszuweisen sind, sollte der Teil dieser Steuern und Sozialbeiträge, dessen Einziehung unwahrscheinlich ist und der daher eine Forderung des Staates ohne realen Wert darstellt, nicht einbezogen werden.